Donnerstag, 29. November 2007

Unheimliche Begegnungen

So langsam gewöhnt man sich hier ja an fast alles, was man so zu sehen bekommt. Die meisten Skurrilitäten fallen mir meist garnicht mehr bewußt auf, aber gestern war wieder so ein Tag an dem mir so einige Sachen ins Auge gesprungen sind. Zum Beispiel die Schuluniformen der Grundschulkinder. Auf dem Weg zum Japanischunterricht sass ich in der U-Bahn inmitten einer Horde von uniformierten Schulkindern. Dabei kam ich mir vor wie in einer Mischung aus Militärschule und Judendfeuerwehr um die Jahrhundertwende. Während die Schuluniformen der älteren Schüler eher schlicht sind - die Jungs tragen  weiße Hemden und dunkle Hosen, die Mädchen weiße Blusen und verboten kurze Röcke, dazu meistens eine dunkle Krawatte - ist das Design der Uniformen für die Schulkinder oft sehr auffällig. Jungs wie Mädchen tragen besonders lustige Hüte, die Mädchen meist mit rundem Rand und Schleifchen, die Jungs tragen Mützen, wie sie sonst nur bei Polizei oder Militär zu finden sind. Und oft sieht das ganze aus wie aus einem anderen Jahrhundert. Während mir trotz dicker Jacke langsam kalt wird, sind die Schulkinder erstaunlicherweise noch in kurzen Hosen bzw Röcken unterwegs, und das Temperaturen um die 10 Grad. Ich habe im Netz ein entsprechendes Bild gefunden, allerdings hatten die Jungs in der U-Bahn gestern noch viel abgefahrenere Hütchen auf:


(geklaut von http://www.japan-101.com/culture/sailor_girl.htm)

Abends habe ich übrigens noch eine eher unheimliche Begegnung habt: Ist euch schonmal auf einem schlecht beleuchteten Bürgersteig eine komplette Footballmanschaft in Uniform - also mit diesen riesigen Schulterschützern - per Fahrrad entgegengekommen? Im Dunkeln hatte ich zuerst die Befürchtung aus dem nahen Ueno-Zoo sei die Nashornherde ausgebrochen... Sollte ich mal meinen Lieblingspolizisten melden, dass da jemand ohne Licht am Rad untwerwegs ist...

Freitag, 23. November 2007

Dienstag, 20. November 2007

Donnerstag, 15. November 2007

Passierschein

Da gestern so ein herrliches Wetter war, bin ich mit dem Fahrrad nach Yotsuya zum Japanischunterricht gefahren. Mit dem Rad quer duch Tokyo zu fahren ist ein tolles Erlebnis. Eine Kombination aus Orientierungsprüfung und Slalomrennen, im Zickzack um tausende Anzug tragende Geschäftsmänner und Gemüse tragende Omas. Und das mitten durch eine wilde Mischung aus modernen Wolkenkratzern, urigen, kleinen Häuschen, tausenden Geschäften, Kneipen, über Brücken, unter Autobahnen durch vorbei an Kanälen und durch kleine Parks. Da ich zeitlich ein bisschen knapp dran war, hab ich ganz schön Gas gegeben. Nichts konnte mich aufhalten. Fast nichts...


...ausser den netten Polizisten an einer Kreuzung, die mich prompt angehalten habenum mal wieder mein Fahrrad zu kontrollieren :-)

Das erinnert mich doch an was... http://tokyowurst.blogspot.com/2007/06/die-polizei-dein-freund-und.html

Grade wollte der nette Omawarisan zu seinem Funkgerät greifen, um die legendäre Registrierungsnummer meines blauen Damenfahrrads überprüfen zu lassen, da habe ich ihm mit einem breiten Grinsen meinen Passierschein unter die Nase gehalten. Den besagten Zettel hatte ich mir ja nach dem damaligen Prozess um die Herkunft meines Rades geistesgegenwärtig von den Polizisten handschriftlich ausstellen lassen. Und zum Glück trage ich den jetzt immer bei mir, sonst hätte ich gestern mal wieder das gleiche Problem gehabt. So aber konnte ich binnen einiger Sekunden dafür sorgen, dass sich die ernsten Gesichter der Ordnungshüter aufhellten, sie sich ein Lachen nicht verkneifen konnten und mich mit einem freundlichen "Have a nice day" haben weiterziehen lassen.

Ich wünschte, ich hätte auch eine amtliche Erlaubnis für das Inverkehrbringen von Lakritzprodukten...

Dienstag, 13. November 2007

Süßholzraspeln

Was ist am 25. und 26. Dezember?

1. und 2. Weihnachtsfeiertag?

FALSCH: Gruppenseminar! Und zwar den ganzen Tag lang, am 27. dann auch noch mal.

Ich fühle mich in der Ausübung meiner Religion extrem behindert! Ausserdem hatte ich vor an Weihnachten nichts anderes zu machen als im Schlafanzug den ganzen Tag Lego spielend auf dem Boden zu liegen, dabei Lebkuchen zu essen und Glühwein zu schlürfen. Tja, dumm gelaufen, aber ich bin mir sicher, dass man mir in religiösen Belangen entgegen kommen wird und gewisse Fehlstunden verzeiht...

Als Protestaktion habe ich heute die stärkste Waffe auf meine Kollegen angewendet, mit der man je einen Japaner in die Flucht geschlagen hat: Salmiak Pastillen. Meine nunmehr dritte Laktritzattacke auf das japanische Volk. Bei meinem Japanbesuch im letzten Jahr hatte ja ich schon Lakritz und Gummibärchen als gutgemeintes Geschenk aus der Heimat dabei. Während Gummibärchen hier sehr beliebt, allerding auch nicht unbekannt sind (man bekommt sie im Supermarkt), und der Japaner fremden Lebensmitteln gegenüber eigentlich offen und neugierig eingestellt ist, kam das Lakritz garnicht gut an. Die Erfahrung konnte mir im Nachhinein auch meine Schwester bestätigen, die ja selbst einige Jahre im Land der aufgehenden Sonne verbracht hat.

Meine zweite Lakritzattacke (Katzenpfötchen) habe ich zu Beginn meines Aufenthaltes bei meiner Willkommensparty gestartet. Mit selbigem Ergebnis. Da ich geschmacklich aber noch einen drauf setzten wollte, haben wir uns jetzt von Katzes Familie einen Jahresvorrat an Salmiakpastillen schicken lassen. Die Anwendung dieser Lakritzbomben auf meine Kollegen führte zu überschwenglichen Gefühlsregungen, die ich bei (nüchternen) Japanern noch nie erlebt habe: Nachdem mein Kollege Motoo-san sich eine einzelne Pastille in den Mund gesteckt hat, musste er minutenlang sein Gesicht verziehen und ist mir im Labor hinterhergelaufen um sich mit Schlägen zu rächen. Die anderen Kollegen konnte ich danach auch durch Anwendung meiner lauten Stimme und massiven körperlichen Präsenz nicht davon überzeugen, sich auch so eine leckere, kleine Raute in den Mund zu schieben. Sie haben es richtig mit der Angst zu tun bekommen.

Ich bin dann ins Nachbarlabor gegangen und habe Sakata-san attackiert, die nicht minder entsetzt reagiert hat. Als Warnung, sich bloss nicht mit mir anzulegen, werde ich die kleine Tüte jetzt drohend an meinen Schreibplatz hängen!

Katze hat sich übrigens in ihrem Labor auf die gleiche Weise auch schon Feinde gemacht. Meinen Plan, ein paar Pastillen in den Wasserkocher für den heiligen japanischen Tee zu werfen habe ich dann lieber wieder verworfen. Vielleicht sollten wir besser aufpassen, dass wir nicht wegen gemeingefährlicher Übergriffe auf die Bevölkerung ausgewiesen werden...

Sonntag, 4. November 2007

Japaner lieben zu leben!

so kommts mir jedenfalls öfters vor! So lautet auch einer der am meisten gebrauchten Aussprüche im täglichen Leben "Tanoshinde kudasai" was soviel heisst wie "Amüsier Dich und hab Spass!". Und den hatten wir an diesem Wochenende. Nachdem wir Samstag nachmittag die untergehende Sonne in einem der schönsten Gärten Tokyos verabschiedet haben, sind wir zunächst nach Ikebukuru zum Shoppen gefahren. Unglaublich, wieviele Leute auf die gleiche Idee gekommen sind! Wir haben uns ins vorweihnachtliche Getümmel gestürzt auf der Suche nach ein paar verrückten Läden. So haben wir uns durch das Meer an schwarzen Schöpfen vorbei an schrillster Weihnachtsdekoration und Megafon-bewaffneten Kundenfängern geschoben und ein bisschen Kitsch gekauft. Katze hat sich ein kuscheliges Ebenbild aus Frottee gekauft: eine Wärmflasche in Form einer Katze zu deren "Betrieb" wir allerdings einen Mikrowellenofen bräuchten, weil wir feststellen mussten, dass man kein heisses Wasser reinfüllen kann, sondern die Innereien der Katze in der Mikrowelle erhitzen muss. Tja, Mikrowelle haben wir nicht und von meiner Idee, die kleine Katze in den Gasofen zu schieben war die grosse Katze nicht so begeistert...





Anschliessend haben wir uns mit unserem japanischen Freund Guchi in Roppongi in einem Irishpub getroffen. Da grade die Übertragung des Spiels Manchester gegen Arsenal lief, war dort dementsprechend viel los und Guchi stellte dort selbst als Japaner eine Minderheit dar. Als es uns zu Englisch wurde, sind wir nach Shibuya weitergezogen, wo Guchi mit ein paar weiteren Japanern verabredet war. Diese wiederum wollten sich von wieder einem anderen Kumpel in einen Club führen lassen, in dem ein Freund an diesem Abend als DJ auftreten sollte. Nach einer wirren Schnitzeljagd durch Shibuya haben wir dann auch diesen besagten Kumpel gefunden. Er sah aus wie Garth aus Wayne`s World (nur mit schwarzen Haaren). Als er uns im Schlepptau seiner japanischen Freunde entdeckt hatte machte er einen so perplexen Gesichtsausdruck, dass er wahrscheinlich nicht gedacht hat "WEN schleppen die den da an?" sondern "WAS schleppen die denn da an?"..


Nachdem wir ihn aber davon überzeugt hatten, dass wir zwar von weit weg kommen, aber keine Ausserirdischen sind, haben wir uns zusammen auf die Suche nach dem Club gemacht und ihn irgendwann auch endlich gefunden. Der Laden war im zweiten Stock eines Wohnhauses, sollte wohl mal ein Appartement werden und war wahrscheinlich der kleinste Club Tokyos. Dafür aber rappelvoll, sehr gemütlich und die Musik hat uns auch gefallen. Als ich großes, kopfhaardefizientes Ungetüm reinkam, wurde ich zunächst mal wieder von allen angestarrt . Katze kann ja aufgrund ihrer genetischen Ausstattung unter Japanern immer auf Tarnmodus schalten (solange sie nicht den Mund aufmacht), ich sollte mir aber mal ne passende Verkleidung zulegen (schwarze Perücke, dunkle Kontaktlinsen, Bauchweggürtel). Es war ein super lustiger Abend, wir haben ne Menge neuer Leute kennengelernt und als wir uns in den frühen Morgenstunden auf dem Heimweg gemacht haben, wurden wir vom ganzen Laden verabschiedet.


Nach viel zu kurzem Schlaf haben wir Sonntag Mittag zusammen mit einer Arbeitskollegin von Katze in Wako-shi ein klassisches Konzert besucht. Dafür, dass es die Veranstaltung eines Amateurorchesters war, war es sehr beeindruckend. Die Japaner machen halt keine halben Sachen sondern sind Perfektionisten, selbst wenn es um die Ausübung ihrer Hobbys geht!


Da sollte ich mir übrigens mal ein Beispiel dran nehmen, und mich in den nächsten Wochen nochmal so richtig hinter meine Japanischbücher klemmen. Anfang Dezember habe ich mich nämlich etwas überambitioniert für eine Prüfung auf fortgeschrittenem Niveau eingeschrieben, allerdings hinke ich in meinem bis dahin noch zu paukenden Stoff inzwischen ganz schön hinterher. Gestern habe ich mit Akane, meiner Lehrerin, mal einen Probetest bearbeitet. Uiuiuiui, da hab ich ganz schön alt ausgesehen... Also, jetzt Ärmel hoch krempeln, Zähne zusammen beissen und : "Gambarimasu, Gambarimasu!"

Freitag, 2. November 2007

Japaner lieben zu leiden!

so kommts mir jedenfalls öfters vor! So lautet auch einer der am meisten gebrauchten Aussprüche im täglichen Leben "Ganbatte kudasai" was soviel heisst wie "Halt durch und tue dein Bestes!".
Und während ich Deutscher Jammerlappen am heutigen Freitag abend um kurz nach 9 schon wieder einen großen Drang verspüre meine Kolben endlich niederzulegen und den Feierabend einzuläuten, ist im Labor natürlich noch so einiges los. Ich glaube manchmal, die Kollegen messen sich im "tapfer sein": Der eine hat sich heute Mittag einen Weissheitszahn ziehen lassen. Danach ist er sofort wieder ins Labor gekommen und sitzt jetzt immer noch hier! Und kämpft! Ganbatte kudasai! Er verzieht die ganze Zeit den Mund, hält sich die Backe, wackelt auf seinem Stuhl hin und her und scheint sich grade sichtlich nicht so wohl zu fühlen. ABER WER ALS ERSTER HEIM GEHT VERLIERT! Dann lieber noch ein paar Stunden im Labor leiden und auf den Bildschirm starren. Hihi, jetzt hat er grade sein Abendessen einem anderen Kollegen geschenkt.
Als ich mir letzten Sommer zwei Weissheitszähne habe ziehen lassen, hab ich das Leiden in guter Tradition des Deutschen Mannes auch so richtig zelebriert: Eine Woche Wachkoma zu Hause auf der Couch, dabei Fussball WM geschaut, literweise Blut gesabbert und die Katze hin und her kommandiert. Ach, war das schön! Was dem Kollegen da alles entgeht, wenn er sich gleich wieder mit Arbeit von den Schmerzen ablenkt.
Man, bin ich aber heute mal gemein! Aber ich habe noch ein wenig Adrenalin von gestern abzubauen, wo ich mich mit dem hiesigen Entsorgungssystem der Laborabfälle rumärgern musste. Das ist so bürokratisch und unsinnig, dass man am besten gar keine Abfälle im Labor produziert (Hey, da freut sich die Umwelt!). Der Witz ist nämlich, dass man hier jeden Fitzel Filterpapier in ein eigenes Plastiktütchen stecken und dann auf Japanisch drauf schreiben muss, mit welchen Chemikalien das Zeug in Kontakt gekommen ist, sonst nimmt die Entsorgungsstelle das nicht an. Naja, wenn ich immer nur Kochsalz abfiltriere ist das ja nicht so schwierig (hey, das könnte sogar ich auf Japanisch auf das Tütchen schreiben!) und dass man so giftige Sachen wie Quecksilber usw natürlich gesondert entsorgen und angeben muss, sollte einem ja eigentlich der gesunde Menschenverstand sagen (leider zählt der aber hier lange nicht so viel wie all die schönen Regeln und Vorschriften).
Aber jetzt kommt die Preisfrage: Was macht dann jeder klammheimlich, wenn er halt mal was Unbekanntes abfiltriert hat oder irgendeinen einen Siff aufwischen muss, dessen Zusammensetzung zu bestimmen eine mehrjährige Forschungsarbeit sein würde?

Antwort: Dann scheint es einfach in den Hausmüll zu wandern! Na super.
Ich könnte noch unzählige Beispiele von schwachsinnigen Regelungen erzählen, die scheinheilig hochgehalten aber dann doch nicht so ganz eingehalten werden. Immer nach dem Motto, bloss nicht anecken, aufmucken oder was in Frage stellen, was nicht in Frage zu stellen ist. Ich habe langsam auch schon das "Warum" Fragen aufgehört, das bringt hier eh nichts. Lieber immer schön nicken und dann so machen wie man selber meint. Und ich meine jetzt, dass es spät genug für heute ist, lege den Spatel ab, klapp den Rechner zu, wünsch dem Kollegen gute Besserung, setz mich auf mein blaues Damenfahrrad und fahr Heim.
Hab ich halt verloren! Aber dafür hatte ich heute ein paar gute Ideen und ab Montag werde ich wieder weiter kämpfen. Schönes Wochenende!