Wenn ich mir die Lehrbücher von Motoo-san anschaue, kann ich wirklich verstehen warum dem Japaner eine Alltagskommunikation in Deutsch (oder Englisch) so schwer fällt (wobei ich fairerweise sagen muss, dass mein Japanisch auch noch recht weit von einer flüssigen Alltagskommunikation entfernt ist...).
Zunächst ist da das Grammatikbuch meines Kollegen. Es läßt vom Design her schon auf eine Erstauflage 1920 schliessen und die Grammatik die dort behandelt wird ist gesalzen (und die Deutsche Grammatik IST auch schwer! Glaubt es oder nicht: die Japanische Grammatik mutet zwar oft recht seltsam an, aber besonders schwer ist sie nicht!).
Ich gebe mal einige Beispiele:
"Wir gedenken seiner"
"Weißt du, dass der Student unsere Tochter liebt?"
"Für den Christen ist Gott der Schöpfer aller Dinge. Er hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen"
"Wenn man einen Menschen liebt, dann kann man nicht mehr nüchtern denken"
"Diejenigen die den Atomkrieg wollen, begreifen offenbar nicht, dass er der Untergang der Erde sein wird"
"Ein Student klagt, Verfassung und Verfassungswirklichkeit klafften immer weiter auseinander"
"Helga hat eine schöne Figur, um die sie eine griechiche Göttin beneidet hätte"
HALLOOOOOOO!?!
so wird doch niemals ein Schüler Deutsch lernen, wenn er es als Fach zwei Jahre in der Schule hat. Andererseits, wenn er sich das wirklich hart erarbeitet, wird er sicher Spass an Filmen wie "Die Brücke von Remagen" (1968) oder "Die Feuerzangenbowle" (1944) haben, aber um im Bahnhof zu fragen von welchem Gleis der nächste Sonderzug nach Pankow fährt reicht es wahrscheinlich nicht...
Jetzt das Textbuch fürs zweite Jahr, da wird es noch krasser:
Der erste (!) Text ist die Rede von Johannes Rau "anlässlich des 125. Geburtstages von Konrad Adenauer am 5. Januar 2001" (http://www.bundespraesident.de/Reden-und-Interviews/Reden-Johannes-Rau-,11070.28223/Rede-anlaesslich-des-125.-Gebu.htm)
Text 2 ist von Roman Herzog, Text 3 von Jürgen Habermas usw. Dann kommen Kapitel über das jüdisch-deutsche Verhältnis und über "das neue Berlin". Kapitel vier fängt ganz interessant an: Eine Filmkritik über "Lola rennt", dann kommen Peter Härtling, Kafka und Brecht zu Wort, auf Seite 132 mal was über den Deutschen Fussball, und das "Gesetz zum Ausstieg aus der Atomenergienutzung" wird auch ausführlichst diskutiert.
ICH FASSE ES NICHT! Das soll ein Lehrbuch für das zweite Jahr Deutschunterricht sein? Den Schinken sollte ICH besser mal lesen um meine lausige Allgemeinbildung aufzustocken!
Zum Glück scheint mein Japanischlehrbuch nicht von so einem überambitionierten Historiker geschrieben worden zu sein. Bin jetzt am Ende meines ersten Lehrbuches angekommen und heilfroh mich mit Sätzen wie "Wann hast du die Milch gekauft", "War diese Kamera teuer?" und "Ist es in Ordnung die Erdbeern mit diesem Wasser zu waschen?" zu vergnügen. Ich habe jedenfalls bis jetzt immer das gute Gefühl gehabt, eine Lektion verstanden (wenn auch nicht behalten...) zu haben nachdem ich sie durchgebüffelt habe.
Ob mein Kollege aber irgendwas aus dem Text "Liebe auf Distanz und durch die rosarote Brille" von Michaela Fuidl, in dem jedes zweite Wort von ihm farbig markiert und mit japanischer Übersetzung versehen wurde, verstanden hat, wage ich doch zu bezweifeln. Jedenfalls hat er ein großes Problem einen Unterschied zu herauszuhören wenn ich die Worte "bald" und "warten" sage...
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